Multiprofessionelle Zusammenarbeit

Aus Vielfalt wird Qualität, wenn Zusammenarbeit gelingt.

​Kinder verbringen biografisch immer früher und täglich immer mehr Zeit in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung verstärkt diese Entwicklung. Je mehr Zeit Kinder in Institutionen der Kindheit und Jugend verbringen, desto stärker übernehmen diese auch familienergänzende und -ersetzende Aufgaben. Hinzu kommen neue Herausforderungen durch eine zunehmende Heterogenität. Kinder wachsen heute in stark vielfältigen, von unterschiedlichen Kulturen, sozialen und familiären Einflüssen geprägten Lebenswelten auf, die keine einheitliche oder leitgebende Normalbiografie mehr zulassen. ​

Um diesen gesellschaftlichen Veränderungen gerecht zu werden, müssen ganztägige Bildungsangebote multifunktionaler werden und entsprechend zuständige Lehr- und Fachkräfte multiprofessioneller arbeiten. Der Ruf nach mehr multiprofessioneller Zusammenarbeit ist daher nicht nur eine Reaktion auf den aktuellen Personalmangel, sondern vor allem ein zentrales Qualitätsmerkmal, um Bildungs- und Teilhabechancen nachhaltig zu verbessern. ​

Politisch und rechtlich wird insbesondere die externe multiprofessionelle Zusammenarbeit gestärkt, also die Kooperation mit außerschulischen Partnern, insbesondere Trägern der Jugendhilfe, aber auch bspw. mit Partnern aus dem Bereich Sport, Kultur oder Musik. Sie ist sowohl im Schulgesetz NRW, im Kinder- und Jugendförderungsgesetz NRW als auch im Grundlagenerlass zur Ganztagsschule verankert. Die Rahmenvereinbarungen der Landesregierung mit zentralen zivilgesellschaftlichen Partnern dienen als Orientierung für weitere Kooperationsangebote. Diese externe Kooperation erweitert die Perspektiven schulischer Bildung und öffnet den Ganztag für kind- und jugendorientierte sowie lebenswelt- und sozialraumorientierte Ansätze.​

Eine Qualitätssteigerung in der Ganztagsbildung entsteht jedoch erst dann, wenn neben der externen auch die interne multiprofessionelle Zusammenarbeit gelingt. Dafür braucht es abgestimmte Strukturen, gemeinsame Zielvorstellungen und eine kontinuierliche Teamentwicklung. Ohne gemeinsame Aushandlungsprozesse kann Multiprofessionalität sogar zu Reibungsverlusten, Ineffizienzen oder Konflikten führen.​

Multiprofessionalität ist somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Qualität. Ihr Potenzial entfaltet sich erst durch gelingende Kooperation, gegenseitige Anerkennung und eine gemeinsame pädagogische Haltung.

Das Trägermodell an offenen Ganztagsschulen im Primarbereich in NRW legt den Grundstein für eine Gestaltung des Ganztags im Zusammenwirken unterschiedlicher Professionen. Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte aus Schule und Jugendhilfe arbeiten hier gemeinsam für Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder. Diese Prinzipien gelten ebenso für die Gestaltung von Ganztagsangeboten der Sekundarstufe I.​

Erzieher:innen, Schusozialarbeiter:innen, Sozialpädagog:innen und Inklusionsfachkräfte sowie weitere Fachkräfte (bspw. Musiker:innen, Künstler:innen, Handwerker:innen oder Beratungsstellen) bringen ihre jeweiligen Kompetenzen und Perspektiven in die Ganztagsgestaltung ein. So entsteht ein vielseitiges Bildungs- und Betreuungsangebot, das über den rein formalen Unterricht hinausgeht und die Lebenswelt der Kinder umfassend in den Blick nimmt. ​

Ziel ist es, die unterschiedlichen Professionen so zu vernetzen, dass ihre jeweiligen Stärken in die gemeinsame Gestaltung ganztägiger Bildungssettings einfließen, für mehr Chancengerechtigkeit, Teilhabe und eine ganzheitliche Förderung und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen.

Ob und wie multiprofessionelle Zusammenarbeit im Schul- bzw. Ganztagsalltag gelingt, ist wesentlich eine Frage des Leitungshandelns und der Organisationskultur. Eine gleichberechtigte Zusammenarbeit verschiedener Professionen muss von Schulleitung und Ganztagskoordination initiiert, moderiert und aktiv gelebt werden. Zentral ist dabei die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung, die als Grundlage für Konzeptarbeit und Teamentwicklung dient. Eine solche Haltung entsteht nicht von selbst: Sie erfordert Zeit, um Statusunterschiede abzubauen, gemeinsame Ziele und Werte zu definieren sowie eine verbindende Kommunikationskultur zu etablieren.​​

Um gegenseitiges Vertrauen zu fördern, ist es notwendig, dass die beteiligten Professionen sich über ihre jeweiligen Selbstverständnisse, Arbeitsprinzipien, Methoden und Zielvorstellungen austauschen. Nur durch ein solches Verständnis füreinander können die unterschiedlichen (Bildungs-)Perspektiven sinnvoll zusammengeführt werden. Erst wenn die Kompetenzen und Sichtweisen aller Professionen berücksichtigt und miteinander verzahnt werden, kann das Potenzial von Multiprofessionalität seine volle Wirkung entfalten und zum Wohl der Kinder und zur Qualität des Ganztags beitragen.


Weiterlesen

Externe multiprofessionelle Zusammenarbeit

Interne multiprofessionelle Zusammenarbeit

  • ​Pool Maag, Widmer-Wolf (2025). Multiprofessionelle Teams stärken – Impulse für Schulleitungen inklusiver Schulen; hep Verlag AG, Bern ​
  • ​Philipp, E. (2019). Multiprofessionelle Teams – Auf den Punkt gebracht; Debus Pädagogik Verlag, Frankfurt ​
  • ​Lütje-Klose et al. (2024). Kooperation in inklusiven Schulen – Ein Praxishandbuch zur Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams und mit Eltern; transcript Verlag; Bielefeld

Kontakt

Kevin Schaeper

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